von Hans-Henning Hoff,

Ehemaliger Vorsitzender des Vereins "Mauern öffnen e.V."

aus "Mauern öffnen: 40 Jahre Bildhauerwerkstatt in der JVA Bremen"

 

Kennenlernen

Kurz nachdem ich 1989 als Anstaltsleiter in der JVA Oslebshausen angefangen hatte, meinten meine Abteilungsleiter, ich solle die Bildhauerwerkstatt schließen, sie sei ein Sicherheitsrisiko, da dort keine Vollzugsbeamten sondern nur Künstler arbeiteten. Dazu muss ich anmerken, dass die Bildhauerwerkstatt von Anfang an (1978) ein »Fremdbetrieb« war, der von der Kulturbehörde personell und finanziell geleitet wurde und in dem keine Beamten anwesend waren.

 

Bei Nachforschungen stellte sich heraus, dass von der Bildhauerwerkstatt kein erhöhtes Risiko ausging, im Gegenteil  - von hier ist niemand »getürmt«, aus anderen Bereichen schon. Da aber das Ansehen der Werkstatt innerhalb der Anstalt offensichtlich nicht das Beste war, schien mir eine Entspannung notwendig. Die Bildhauerwerkstatt wurde deshalb Chefsache. Mit allen Fragen kamen die Werkstattleiter Peter Miczek, Jürgen Comonotto, Hans- Jürgen Kampa und Walter Peter zu mir. Dadurch lernte ich die Werkstatt in den folgenden acht Jahren gut kennen.

Vertrauen

Es gab keine Probleme, die Künstler mit Gefangenen in Arbeitsausgänge zu schicken, um Projekte draußen aufzubauen. Bei diesen Ausgängen haben alle das in sie gesetzte Vertrauen gerechtfertigt. Zur Einweihung des in Bronze gegossenen »grauen Esels« in Vegesack kamen sogar die Gefangenenvertretung und die Redaktion der Gefangenenzeitung »Diskus 70« mit, ohne dass es irgend eine Auffälligkeit gab. Einige Gefangene hatten zwar noch »etwas zu erledigen«, aber niemand hat etwas Böses getan.

Kultur und Justiz

Anfang der 90er Jahre hatte die Kultur-behörde ein finanzielles Problem. In einer Besprechung in der JVA mit Hans-Joachim Manske (Kultur) und Hartmut Krieg (Justiz) wurde eine Einigung erzielt: die Bildhauerwerkstatt wird weiter betrieben, woran die Anstaltsleitung ein großes Interesse hatte, und der Justizsenator übernahm ein wenig mehr der  Kosten.

Vereinsgründung

Eine personelle Umstrukturierung der Kulturbehörde führte zum Wechsel von Werner Hock zur »Stiftung Wohnliche Stadt« - für die Werkstatt ein Segen.

 

Aus der Kulturbehörde kam die Idee einer Vereinsgründung, die am 4.3.1997 erfolgte. Gründungsmitglieder waren Sigrid Koestermann (MdBB), die sich schon lange um die Werkstatt kümmerte, Volker Kröning (MdB), Hartmut Krieg (Justizbehörde), Hans-Joachim Manske (Kulturbehörde), die Kunstschaffenden Barbara Deutschmann, Walter Peter, und Hans-Joachim Kampa sowie Hans-Henning Hoff als Anstaltsleiter.

 

Der Verein nennt sich »Mauern öffnen e.V.«. Dieser Titel geht auf eine Broschüre aus der Anfangszeit zurück, in der damals die Bildhauerwerkstatt und ihr Tun vorgestellt wurden. Der Gründungsvorstand bestand aus der 1. Vorsitzenden Sigrid Koestermann, dem 2. Vorsitzenden Volker Kröning und dem Schatzmeister Hans-Joachim Manske. Nach einem Jahr legte Volker Kröning sein Amt nieder, Hans-Joachim Manske rückte nach und ich wurde Schatzmeister, nachdem ich als Richter zum Amtsgericht gewechselt hatte.

Unser Logo

Unser Vereinslogo ist die von der Künstlerin Jenny Löbert stilisierte Darstellung der Arbeit eines jugendlichen Gefangenen. Die Schildkröte mit der Rose symbolisiert den emotionalen Panzer, den männliche Gefangene um sich aufbauen, und den etwas Zartes, wie eine Rose, aufbrechen kann.

Jubiläen

Zum 20-jährigen Jubiläum 1998 schrieb die neue Anstaltsleiterin, Ines Kalisch: »Das Neue war, dass die Arbeit in der Bildhauerwerkstatt als Arbeit und nicht als Therapie angeboten wurde«.

 

Das Spannungsverhältnis zwischen den Vollzugsbeamten und den Kunstschaffenden war durch unterschiedliche Interessen gekennzeichnet, man musste sich arrangieren. Das Verhältnis hat sich heute deutlich entspannt. Die Werkstätten werden gerne allen Besuchern gezeigt. 

Die Jugendwerkstatt

 1999 begannen wir die Planung für eine Jugend Werkstatt, erst in der JVA Blockland, dann in dem leerstehenden Teil unserer grünen Nissenhütte, sodass beide Werkstätten in einem Bau untergebracht waren. Dank einer großzügigen Unterstützung der »Stiftung Wohnliche Stadt« konnten wir mit Hilfe der JVA die notwendige Trennung des Erwachsenen- vom Jugendbereich vornehmen und zugleich ein gemeinsames Büro und Sozialraum für die Kunstschaffenden einrichten.

 

Für den Transport der Jugendlichen vom Blockland nach Oslebshausen finanzierten wir einen Gefangenen- VW-Bus, den die JVA nach der Verlegung des Jugendvollzugs ins Haus IV übernahm.

 

Personell mussten wir deutlich aufstocken. Die Kunst-schaffenden Walter Peter, Stefanie Supplieth und Ulrike Möhle haben die Werkstatt geplant und aufgebaut. Über Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) kamen weitere Mitarbeitende hinzu, die leider immer nach maximal zwei Jahren gehen mussten.

 

Während es in der Erwachsenenwerkstatt möglich war, die Gefangenen eine zeitlang alleine arbeiten zu lassen, war das in der Jugend Werkstatt unmöglich. In der Arbeitshalle musste immer jemand anwesend sein. Insbesondere der Jugendvollzug hat bald die Vorzüge der neuen Werkstatt kennen- und schätzengelernt. Damit wurde die Bildhauerwerkstatt zu einem integralen Bestandteil der JVA Bremen.

Die Außenwerkstatt

Angesichts der Ausgangsverweigerung für Gefangene wurde eine Werkstatt außerhalb der Mauern notwendig, für ehemalige Gefangene, Freigänger und neuerdings Langzeitarbeitslose. Wiederum mit Hilfe der »Stiftung Wohnliche Stadt« konnten wir 2006 angemietete Räume auf dem Gelände »Use  Akschen« für unsere Bedürfnisse herrichten.

 

Leider war die Miete von ca. 10 000 Euro im Jahr auf Dauer nicht aufzubringen. Die JVA hat uns dann einen Lagerraum nicht nur kostenlos zur Verfügung gestellt, sondern daraus Werkstatt, Sozialraum und Büro mit allem Notwendigen gemacht. So konnten wir 2009 die »Außenwerkstatt« mit der von uns erfundenen Adresse »Sonnemannstraße 5« beziehen.

 

Anfangs war an eine Serviceeinrichtung gedacht, inzwischen hat sie sich zu einer gleichberechtigten Werkstatt weiterentwickelt. In dieser Werkstatt beschäftigt der Verein fünf bis sieben Langzeitarbeitslose, die vom Jobcenter gefördert werden.

 

Die Arbeit mit den Materialien Stein, Holz (Erwachsene) und Ton, Keramik (Jugendliche) hat viele Vorteile für alle Menschen, besonders für die hinter Gittern. Sie lernen die üblichen Grundbedingungen eines Arbeitsplatzes kennen, oder den handwerklichen Umgang mit den Materialien. Natürlich gilt das auch für die Langzeitarbeitslosen. Diese machen beim Aufstellen der Projekte in den Kitas, Kirchen und Schulen die völlig neue Erfahrung, dass sie gerne gesehen und sehr wertgeschätzt werden.

Projekte

In diesem Buch werden viele wunderbare Projekte und Ausstellungen gezeigt, von denen ich nur einige benennen möchte, die mir besonders gefallen haben: So die Doppelausstellung zum 25-jährigen Jubiläum in der Städtischen Galerie und dem Pavillon des Gerhard-Marcks-Hauses. Oder die Ausstellung zum 30-jährigen Jubiläum in der Kulturkirche St.Stephani.

 

Der »kleine Punker« wurde das Aushängeschild unserer Ausstellung in der Landesvertretung in Berlin im Sommer 2016. Er hat jetzt einen Platz bei Menschen gefunden, die unserem Verein besonders zugetan sind.

Dank

Nun gilt es für mich danke zu sagen, für 29 Jahre Begleitung der Bildhauerwerkstatt, davon 20 Jahre intensiver Vorstandsarbeit! Es war eine große Freude und eine gute Schule. Die hervorragenden Lehrer waren für mich die Kunst-schaffenden, die Gefangenen drinnen und die Mitarbeitenden in der Außenwerkstatt. Natürlich haben sie auch untereinander viel gelernt, was sich an den circa 500 Skulpturen im öffentlichen Raum Bremens ablesen lässt. Sie alle haben mitgeholfen, die Bildhauerwerkstatt zu erweitern, d.h. aus einer Bildhauerwerkstatt drei zu machen, und den Verein »Mauern öffnen« zu einem einmaligen Projekt in Europa wachsen zu lassen.

 

Danke auch an die Kultur- und die Justizbehörde und ihre engagierten Mitarbeitenden. Danke an alle Sponsoren, Freunde und Projektteilnehmer. Von ihnen kamen immer anerkennende und aufmunternde Worte, die uns angespornt haben. Danke, dass wir einen neuen Schatzmeister, Günter Block, und meine designierte Nachfolgerin, Stefanie Wulff, gefunden haben und beide eine hohe Bereitschaft zur erfolgreichen Weiterführung des Vereins und seiner Werkstätten mitbringen.

 

Ich gratuliere allen, die hier arbeiten, zu diesem wunderbaren Arbeitsplatz. Hier kann man sich nur wohlfühlen. Möge es noch viele Jahre so bleiben. Mögen wir alle uns gesund zum 50-jährigen Jubiläum Wiedersehen.